Zians-Haas Rechtsanwälte

Das Mitspracherecht der Kinder: die richterliche Anhörung

10.06.2021

Ab wann haben Kinder ein Mitbestimmungsrecht? Können die Kinder selbst entscheiden, bei welchem Elternteil sie leben möchten? Wer bestimmt über die Beherbergung oder die Ausübung der elterlichen Autorität?

Grundsätzlich haben alle Kinder, die betroffen sind, das Recht von einem Richter angehört zu werden, selbst wenn das Verfahren je nach Alter leicht variiert.

- Ein Kind unter 12 Jahren wird auf seinen Antrag hin, auf Antrag der Parteien, der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen vom Richter angehört.
Wenn die Staatsanwaltschaft oder das Kind den Antrag stellt, ist der Richter zur Anhörung verpflichtet. Wenn der Antrag hingegen von den Parteien bzw. den Eltern gestellt wird, dann kann der Richter die Anhörung verweigern.

- Ein Kind, welches das Alter von zwölf Jahren erreicht hat, wird sogar explizit über sein Recht auf Anhörung in Kenntnis gesetzt. Zunächst erhält das Kind ein Informationsschreiben mit Antwortformular seitens des Gerichts. Es genügt JA oder NEIN anzukreuzen.
In diesem Fall ist der Richter zur Anhörung verpflichtet. 

Das Gespräch mit dem Richter findet prinzipiell in Abwesenheit jeglicher anderen Person statt.

Es wird ein Bericht erstellt, der die Äußerungen des Minderjährigen wiedergibt. Der Bericht wird der Verfahrensakte beigefügt und kann im Anschluss durch jede Partei eingesehen werden.

Wenn der Richter während des Gesprächs zu der Erkenntnis gelangt, dass das Kind nicht über genügend Urteilsvermögen verfügt oder nicht die nötige Reife besitzt, vermerkt er dies im Bericht.

Das Kind hat somit in der Tat ein gewisses Mitspracherecht. Die finale Entscheidung hingegen obliegt dem Richter. Im Streitfall liegt es nicht in der Verantwortung des Kindes zu entscheiden, sondern in der des Richters.

Der Richter trifft die Entscheidung unter Berücksichtigung aller Elemente, insbesondere der Interessen des Kindes. Die Entscheidung kann zwar mit den Wünschen des Kindes übereinstimmen, muss sie aber nicht.

Erst mit der Volljährigkeit, also mit 18 Jahren, kann das Kind wirklich frei entscheiden.